Forschungsbericht 2005



Haltungen zu Technik, Studium und Beruf von Studierenden der Zukunftstechnologien

Institut: Arbeitsgruppe Arbeit-Gender-Technik
Projektleitung: Prof. Dr. Gabriele Winker
Stellvertretende Projektleitung: Dr. phil. Andrea Wolffram
Mitarbeiter/innen: Dr. phil. Andrea Wolffram
Projektnummer: E.4-15.001
Laufzeit: 01.03.2003 - 28.02.2006
Finanzierung: TUHH


 

Mit diesem Forschungsprojekt soll untersucht werden, welche Haltungen Studierende der Ingenieurwissenschaften zur Technik, zu ihrem Studium und zu ihrem späteren Beruf einnehmen. Weiter wird der Frage nachgegangen, wie sich diese Haltungen im Verlaufe des Studiums verändern und welchen Einfluss dies auf Studienzufriedenheit und Abbruchentscheidungen hat. Aus der Hochschulforschung ist bekannt, dass in technischen Studiengängen insbesondere in den Anfangssemestern ein relativ häufiger Studienabbruch bzw. Wechsel in nichttechnische Studienfächer zu verzeichnen ist. Zumeist werden studienimmanente Faktoren (eine zu theorielastige Ausbildung, einseitige Studieninhalte etc.) als Motive der Studienunzufriedenheit genannt, während leistungsbezogene Motive - insbesondere bei Frauen - eine nachgeordnete Rolle spielen. Bislang ungeklärt ist jedoch, welchen Einfluss spezifische Technikhaltungen und Lebenskonzepte der Studierenden auf das Empfinden der vorfindbaren Studienbedingungen haben und welche Forderungen sich aus dieser Kenntnis für die Leitbild-diskussion in den Technikwissenschaften ableiten lassen.

Diese Fragestellungen soll bei Ingenieurstudierenden der TUHH untersucht werden. In die Studie werden Studierende beiderlei Geschlechts sowie unterschiedlicher ethnisch-kultureller Zugehörigkeit einbezogen. Die empirische Studie wird mit einer Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden angelegt. Auch werden Vergleiche mit einer ähnlich gelagerten und von den Autorinnen entwickelten Längsschnittstudie an der FH Furtwangen gezogen.

Im Zentrum der Forschung steht die Frage, ob unterschiedliche Haltungen zur Technik bereits vor dem Studium feststellbar sind und wie und durch welche Studienangebote sie sich im Verlauf des Studiums verändern. Die Erfassung der Technikhaltung basiert auf Ansätzen der Einstellungsforschung. Hier wird der Begriff der Einstellung als multidimensionales Konstrukt mit drei zusammenhängenden Komponenten definiert: einer affektiven, einer kognitiven sowie einer Verhaltenskomponente. Übertragen auf Technikeinstellungen kennzeichnet die affektive Komponente die emotionalen Einstellungen zur Technik, repräsentiert die kognitive Komponente die subjektive Wahrnehmung und das Wissen über Technik und reflektiert die Verhaltenskomponente die Verhaltensabsichten und Handlungen im Kontext der Technik. Da für das Einstellungskonzept jedoch Interessen keine Bedeutung haben, diese jedoch für Ingenieurstudierende hinsichtlich der Thematik Technik zentral sind, soll das Modell der Ein-stellung um ein Interessenkonstrukt ergänzt werden, das die Bedeutung oder Wertigkeit eines Objektes für eine Person mit einschließt. Unsere Definition von Technikhaltung setzt sich somit aus einem Einstellungs- und Interessenmodell zusammen.

In engem Zusammenhang zu den ausgeführten Ansätzen steht das technikspezifische Selbstkonzept der Ingenieurstudierenden, das einen bedeutenden Teil des generellen Selbstkonzeptes darstellt und aus dem sich Berufs- und Lebensziele ableiten lassen. Entsprechend sollen die Berufsvorstellungen und Lebensplanungen der Studierenden und deren Veränderungen im Verlauf des Studiums untersucht werden.

Unsere Vermutung ist, dass Technikhaltungen und Berufsvorstellungen die Studienzufriedenheit bzw. -unzufriedenheit an einer Technischen Universität deutlich beeinflussen. So können zum Beispiel extrinsische/intrinsische (gesellschafts-/technikbezogene, berufs-/nicht berufsorientierte) Studiertypen auf der Basis von Technikhaltung unterschieden werden, die unterschiedliches motivationales Studieren erwarten lassen. Um die Hypothese des Einflusses von Technikhaltungen und Berufsvorstellungen auf die Studienzufriedenheit zu untersuchen, die in unmittelbarem Zusammenhang zum Studienabbruch bzw. zum erfolgreichen Studienabschluss stehen, werden ferner weitere mögliche Ursachen für Studienabbruchgedanken miteinbezogen wie z.B. kulturelles Umfeld, Fachinhalte, Didaktik der Lehre, Informations- und Beratungsmöglichkeiten, Verlust des Selbstvertrauens in die eigene technikbezogene Begabung und Leistungsfähigkeit, Interessenverlust etc.

Hintergrund dieses Forschungsvorhabens sind einerseits die auffallende Unterrepräsentanz von Studentinnen, die seit langem in den Informatik- und Ingenieurstudiengängen an deutschen Hochschulen besteht und andererseits die hohe Abbruchquote sowohl bei Frauen wie bei Männern. Beide Phänomene könnten auf gemeinsame Ursachen zurückführbar sein. So ist z.B. bekannt, dass es bei einem großen Anteil der Abiturientinnen ein latentes Potenzial für ein Ingenieur- oder Informatikstudium gibt. Allerdings wird dieses Potenzial nur sehr selten in ein technisches Studium umgesetzt, da das subjektive Interesse an Technik fehlt. Ähnliches wird von den Abbrecherinnen berichtet, die durchaus technikkompetent sind, aber das Interesse am Studium verlieren, während bei männlichen Abbrechern bisher eher Studierunfähigkeit (i.S. von Leistungsversagen) den Studienabbruch herbei führte.

Verbindungen zwischen Technikkompetenten, die kein technisches Studium wählen, und AbbrecherInnen gibt es vermutlich auch bei den zukünftigen Berufs- und Lebensvorstellungen. Bei beiden werden große Schwierigkeiten gesehen, einen technischen Beruf mit der Gründung einer Familie oder anderen Lebensinteressen zu verbinden.

Ziel des Forschungsprojekts ist es, aus einer tieferen Kenntnis der Technik- und Berufshaltungen der Studierenden und deren Auswirkungen auf die Studienzufriedenheit, Handlungsmöglichkeiten für eine Weiterentwicklung des technischen Studiums abzuleiten, um so eine Qualitätsverbesserung zu erzielen. Zwar gibt es bisher eine Reihe von Maßnahmen, um den Studentinnenanteil kurzfristig zu erhöhen und die AbbrecherInnenquote zu senken. Diese Maßnahmen werden allerdings nach dem Prinzip Trial and Error konzipiert und nur punktuell umgesetzt. Auch wenn kurzfristige Erfolge von Pilotprojekten zu verzeichnen sind, bleibt bislang dennoch die Frage offen, wie Ingenieur- und Informatikstudiengänge gestaltet werden müssen (dies schließt zugleich ein modernes Leitbild mit ein), damit sie bei vielseitig interessierten jungen Frauen und auch Männern das technische Interesse tatsächlich wecken, bestärken und dauerhaft vertiefen können und davon abhalten, das Studium vorzeitig ohne Abschluss zu beenden.

Weitere Informationen zu diesem Forschungsprojekt können Sie hier bekommen

 

Publikationen
  • 4-15.019V
    Winker, Gabriele; Wolffram, Andrea; Tinsel, Iris: Effekte geschlechtersensitiver Bildung in Zukunftstechnologien. In: Bündnis Frauenstudiengänge in Deutschland (Hrsg.): Brauchen Frauen eine andere Mathematik? Frankfurt am Main et al.: Peter Lang, 2003, S. 15-28
  • 4-15.020V
    Wolffram, Andrea; Winker, Gabriele: Geschlechtersensitive Bildungsangebote in Zukunftstechnologien. In: Heinrich, Elkedagmar; Rentschler, Michael(Hrsg.): Frauen studieren Technik. Bedingungen - Kontext - Perspektiven. Aachen: Shaker, 2003, S. 181-201
  • 4-15.033V
    Wolffram, Andrea: Zugang zum Technikstudium nur für Technikbesessene und Computerfreaks? Technikeinstellungen und Interessen von Studierenden. In: Verein zur Förderung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik e.V. (Hrsg.): Standard.Abweichung. 29. Kongress von Frauen in Naturwissenschaft und Technik. Darmstadt: Fit-Verl. 2004, S. 276-284
  • 4-15.034V
    Wolffram, Andrea; Winker, Gabriele: Challenging Gender Stereotypes in Engineering Education. In: Flückiger, Frederico; Ruprecht, Robert; Scheurer, Rudolf (Ed.): Local Identity - Global Awareness. Engineering Education Today. 33rd International Symposium IGIP/IEEE/ASEE, Fribourg (Switzerland): Ecole d'ingénieurs et d'architectes de Fribourg (EIA-FR), September 2004, S. 281-268
  • 4-15.046V
    Winker, Gabriele; Wolffram, Andrea: Technikhaltungen von Studentinnen und Studenten in Zukunftstechnologien. In: Steinbrenner, Diana; Kajatan, Claudia; Mertens, Eva-Maria (Hrsg.): Technik und Geschlecht. Rostock: Ingo Koch Verlag, 2005, S. 161-174

Stichwörter

  • Lebens- und Berufsplanung
  • Studienabbruch
  • Studienzufriedenheit
  • Technikeinstellungen
  • Technikinteresse