Forschungsbericht 2006



Sonderforschungsbereich 188

Reinigung kontaminierter Böden

Sprecher
Prof. Dr.-Ing. Rainer Stegmann

(TUHH)
Mitglieder
Dr. rer. nat. habil. Wolfgang Ahlf (TUHH)
Prof. Dr. rer. nat. Garabed Antranikian (TUHH)
Dipl.-Ing. Peter Becker (TUHH)
Prof. Dr.-Ing. Gerd Brunner (TUHH)
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Calmano (TUHH)
Dipl. Mineral. Franka Dankwarth (TUHH)
Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Förstner (TUHH)
Prof. Dr. rer. nat. W. Francke (Uni HH)
Dipl. Biol. Wolfgang Frühling (TUHH)
Dr. sc. agr. Joachim Gerth (TUHH)
Dr. rer. nat. E. T. K. Haupt (Uni HH)
Dipl.-Biol. Svantje Hebenbrock (TUHH)
Dipl.-Ing. Hanno Hintze (TUHH)
Joachim Höhne (GKSS)
T. Käcker (Uni HH)
Dipl.-Ing. Michael Koning (TUHH)
Dipl.-Ing. Joachim-Christian Lüth (TUHH)
Dipl.-Ing. Oliver Malerius (TUHH)
Prof. Dr.-Ing. Herbert Märkl (TUHH)
Prof. Dr.-Ing. Gerhard Matz (TUHH)
Susanne Meyer (Uni HH)
Dr. rer. nat. W. Michaelis (Uni HH)
Dipl.-Ing. Barbara Misch (TUHH)
Prof.Dr.rer.nat. Rudolf Müller (TUHH)
Prof. Dr. Ing. Bernd Niemeyer (GKSS)
Dipl. Chem. D. Nünnecke (UNI HH)
Dr. rer. nat. Christine Reimers (TUHH)
Dr. rer. nat. H. H. Richnow (UNI HH)
Prof. Dr. Ing. W. Schneider (TUHH)
Prof. Dr.-Ing. Rainer Stegmann (TUHH)
Prof. Dr. rer. nat. H. Steinhart (UNI HH)
Dipl.-Ing. J. Thöming (TUHH)
Prof. Dr. rer. nat. J. Voß (UNI HH)
Prof. Dr.-Ing. J. Werther (TUHH)
Dr. Ing. M. Wilichowski (GKSS)
 
Laufzeit
Gründung 01.01.1989,
Auflösung 31.12.2000
 
Förderung
 
Beteiligte Fachrichtungen

Forschungsprogramm


Ausgangssituation

In der Bundesrepublik gibt es eine große Anzahl kontaminierter Standorte. Es handelt sich dabei z. B. um Industriestandorte, auf denen Produktionsrückstände vergraben oder unsachgemäß gelagert wurden (z. B. ehemalige Gaswerke, Kokereien, Chemiefabriken). Daneben sind vielerorts Untergrundverunreinigungen und Grundwasserverunreinigungen durch Leckagen in Transportleitungen oder Tanks (Altraffinerien, Flughäfen) entstanden. Beeinträchtigungen der Bodennutzung bis zum Bewirtschaftungsverbot sind häufig die Folge.

Die Bundesregierung hat den Bodenschutz zu einer dringenden Aufgabe erklärt, was u.a. durch die Verabschiedung des Bodenschutzgesetzes dokumentiert wird. Die Altlastensanierung sieht sich nach der Phase der Schadenserfassung und -beurteilung sowie der Umsetzung einer Vielzahl von konkreten Sanierungsmaßnahmen mit starken finanziellen Problemen konfrontiert. Die Problematik der kontaminierten Böden hat sich damit aber nicht geändert und wurde durch die Wiedervereinigung deutlich verstärkt. So gibt es in den neuen Bundesländern eine Vielzahl von Flächen, deren Gefährdungspotential in bezug auf Art, Konzentration und mögliche Synergieeffekte als besonders hoch einzuschätzen ist. In einer noch nicht abgeschlossenen, bundesweiten Erfassung der Altlastenverdachtsflächen wurde deren Zahl 1993 auf 139 000 beziffert, wobei eine Zahl von 240 000 nicht unrealistisch erscheint. Nach einer vorsichtigen Schätzung erweisen sich 10 % dieser Flächen als tatsächliche Altlasten, die im Regelfall saniert werden müssen.

Im wesentlichen bieten sich vier Alternativen bei der Behandlung kontaminierter Böden an:

  • Belassen vor Ort und Veranlassung einer Nutzungsbeschränkung

  • Einkapselung oder Abdeckung mit weitgehend wasserundurchlässigem Material und kulturfähigem unbelasteten Bodenmaterial

  • Auskoffern und Verbringen auf Sondermülldeponien

  • Reinigung des Bodens ("in-situ" bzw. "on site" am Standort oder "off site" in dezentraler oder zentraler Anlage)

Die langfristig einzig sinnvolle Alternative stellt die Reinigung des Bodens dar. Sie kann eine tatsächliche Kontaminationsbeseitigung bewirken, eine lokale Problemverlagerung verhindern und eine Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung des Bodens ermöglichen.

In der aktuellen Sanierungspraxis werden vor allem mechanische, thermische und biologische Verfahren angewendet. Der Stand der Technik ist dabei durch eine Vielzahl konkurrierender Verfahren gekennzeichnet, die im wesentlichen auf empirischer Grundlage entwickelt wurden. Aufgrund fehlender Grenzwerte sowie unterschiedlichen analytischen Aufwandes fällt die Beurteilung der Reinigungsleistung der Verfahren schwer.

Es ist die Absicht des SFB, die wissenschaftlichen Grundlagen für die verschiedenen Verfahren zu erarbeiten, um diese zu optimieren und eine zweckmäßige Auswahl von Verfahrensschritten und Apparaten für die verschiedenen Anwendungsfälle zu ermöglichen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den biologischen Verfahren und deren Kombination mit chemisch-physikalischen Methoden.

Der technische Bodenschutz hat sich zu einer selbständigen wissenschaftlichen Disziplin entwickelt, in der mit Hilfe der Kenntnisse und Erfahrungen verschiedener Fachdisziplinen Problemlösungen gefunden werden können. Durch die integrierte Zusammenarbeit innerhalb des Sonderforschungsbereiches von Bauingenieuren, Verfahrenstechnikern, Chemikern, Mikrobiologen, Bodenkundlern, Geologen und Umweltplanern wird dieses neue Arbeitsgebiet erschlossen.

Forschungsziel

Um die Ziele, die sich der SFB gestellt hat, zu erreichen, sind neben der Untersuchung, Entwicklung und Optimierung von Reinigungsverfahren vor allem die analytischen und meßtechnischen Verfahren zu optimieren, welche die schnelle und umfassende Beschreibung von Prozessen ermöglichen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Untersuchungen zur Definition von Reinigungszielen. Um diese zu erreichen, sind u.a. Schadstoffbilanzen zu erstellen, ökotoxikologische Grenzwerte zu erarbeiten und die Schadstoffverfügbarkeit für Mikroorganismen zu quantifizieren.

Lösungsansatz

Um grundlegende Zusammenhänge erkennen zu können, wurde zunächst mit ausgewählten künstlich ölverunreinigten Bodentypen gearbeitet. Diese Vorgehensweise bot sich an, da die Vielfalt der Bodenstrukturen und der Kontaminationen keine universell anwendbaren Behandlungsrezepte zuläßt.

Die Entwicklung methodischer Ansätze in der Bodenreinigung ist auf diese Weise möglich. In der zweiten Phase wurden vermehrt andere künstlich und real-kontaminierte Bodenmaterialien untersucht, wobei die PAK im Vordergrund standen. Während der dritten Phase erfolgte die Entwicklung zu einem stärkeren Praxisbezug, die Untersuchungen wurden auf organisch als auch anorganisch belastete Realkontaminationen ausgeweitet.

In der vierten Phase werden Verfahren entwickelt, optimiert und um einige Schritte erweitert. Neben organischen und anorganischen Kontaminationen werden auch Mischkontaminationen behandelt. Die Entwicklung erfolgt mit einem starken realen Praxisbezug, wobei Kosten minimiert werden sollen. Neben den mechanischen, chemischen und thermischen Reinigungsverfahren spielen die biologischen eine wichtige Rolle. Schwerpunktmäßig wird

untersucht, in welcher Weise die Bioverfügbarkeit der im Boden vorliegenden Schadstoffe gezielt verbessert werden kann. Weitere Aspekte stellen Geländeuntersuchungen dar, um praxisnahe Aussagen über die Wirksamkeit der ablaufenden Prozesse gewinnen zu können. Begleitet werden alle

Untersuchungen durch eine fundierte und effiziente chemische Analytik. Hierbei stehen die Verfeinerung und Ausweitung schneller Analysenverfahren, die Charakterisierung sanierungsrelevanter Leitparameter und Fragen zur Mobilität und Festlegung von Schadstoffen an der Huminstoffmatrix im Boden eine zentrale Rolle.

Forschungskonzept des Sonderforschungsbereiches für die letzte Projektphase

Im Laufe des neunjährigen Bestehens des SFB nimmt die Altlastensanierung nicht mehr den hohen Stellenwert wie vor einigen Jahren ein; unbedingt notwendige Maßnahmen werden mit einfachen Methoden (meist Einkapselungen) durchgeführt, wobei man diese "Sanierung" mehr als zeitlich befristete

Sicherung ansehen muß. Die Ursachen für diese Situation sind vielfältig: "leere" Haushaltskassen, neue gesellschaftspolitische Prioritäten, Reaktionen

auf z. T. "übertriebenen" Umweltschutz in den vergangenen Jahren.

Die Probleme bleiben jedoch, und sie lassen sich auch nicht "weggutachtern". Da das neue Bodenschutzgesetz im Bundestag verabschiedet worden ist, wird es neue Impulse in Richtung Bodenreinigung geben. In vielen anderen Ländern, wie z. B. Holland und den USA bekommt die Bodenreinigung eine starke Beachtung, das gilt auch für die aufstrebenden asiatischen Staaten.

Die Forschungsentwicklung sollte sich zunächst einmal nicht blind den neuen Trends anschließen und immer nur diejenigen Probleme angehen, die "im Augenblick gerade aktuell und in Mode" oder aber sofort umsetzbar sind.

Forschung lebt von ihrer Vorausschau, Kontinuität und Solidität, wobei sich ändernde Bedingungen in Umwelt und Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Zu schnelle und weitreichende Kurskorrekturen führen zu Wissensverlust in den Forschungsinstituten und als Konsequenz auch in der Fachwelt sowie in der Öffentlichkeit.

Die Folgen sind kostenintensive periodische Wiederholungen von Forschungsarbeiten in jeweils aktuellen Themenbereichen. Darüber hinaus wird der Export von Wissen, Technologien und Planungsleistungen ins Ausland mehr und mehr anderen Ländern (z. B. USA und Holland) überlassen.

Die weitere Entwicklung im SFB 188 soll mit einem starken Praxisbezug unter Minimierung der Kosten erfolgen.

Die Projekte werden in der vierten Phase zu einem weitgehenden "Abschluß" gebracht. Damit ist natürlich das Thema "Reinigung kontaminierter Böden" nicht abgeschlossen, aber es erfährt eine möglichst weitgehende Abrundung und eine interne Geschlossenheit. In der vierten Phase sind einige neue Projekte mit aufgenommen worden. Diese sind aber derart strukturiert und inhaltlich eingegrenzt, daß hiermit keine neuen Forschungsfelder eröffnet werden, sondern auch ein Abschluß erzielt wird.

Teilprojekte


Projektbereich A:
Chemisch-Physikalische Verfahrensentwicklung
A5 Feinstklassierung als Mittel zur Effizienzsteigerung der Bodenwäsche
A8 Naßchemische Reinigung metallkontaminierter Böden und Charakterisierung der Schwermetallbindungsformen
A10 Reinigung von mischkontaminierten Bodenmaterialien mit Kohlendioxid-Wasser-Lösungen und Aufarbeitung des Extraktes
A11 Nachbehandlung feinkörniger Reststoffe durch thermische Oxidation im Dampfstripping-Prozeß
Projektbereich B:
Biologische Verfahrensentwicklung
B3 Reinigung kontaminierter Böden in Bodenbioreaktoren
B4 Weiterführende Analytik zu den biochemischen und chemischen Produkten aus dem Mineralölabbau im Boden und aus technischen Prozessen
B5 Stoffwechsel und Enzymatik schadstoffabbauender Mikroorganismen unter extremen Temperaturbedingungen
B6 Abbau von schwerlöslichen Schadstoffen durch neuisolierte, extrem thermophile Mikroorganismen
B7 Einsatz extrem thermophiler Mikroorganismen in Bodenreinigungsanlagen
Projektbereich C:
Grundlagen und Bewertungskriterien für Verfahren
C1 Ökotoxikologische Bewertung von Bodenverunreinigungen mit Hilfe von Biotests
C10 Zukünftige Nutzbarkeit arsen- und chromkontaminierter Rieselfeldböden
C12 Prognose der Austragsgefährdung von Arsen und Chrom aus einem kontaminierten Rieselfeld unter Berücksichtigung der räumlichen Variabilität in der wasserungesättigten Zone
Projektbereich D:
Naturwissenschaftliche Grundlagen zur Verfahrensentwicklung
D4 Schnelle Vor-Ort Analyse
D5 Synthese isotopen-markierter aromatischer Verbindungen und mikroanalytische Untersuchungen an kontaminierten Böden; Indirekte und kontinuierliche Enthalogenierung chlorierter Schadstoffe
D6 Chemische Wechselwirkung von Erdölkontaminationen und deren Abbauprodukten mit der Humusfraktion von Böden
Projektbereich Z:
Zentralbereich
Z Zentrale Aufgaben der Verwaltung und Analytik