Das wissenschaftliche Programm des SFB "Mikromechanik mehrphasiger Werkstoffe" befaßt sich schwerpunktmäßig mit der Frage, wie bei Belastung eines Werkstücks die äußeren Kräfte innerhalb der mikroskopischen Gefügebestandteile übertragen werden, welche lokal wirkenden Kräfte sich daraus ergeben und wie der jeweilige Werkstoff durch elastische Verformung, plastisches Fließen, Porenbildung, Porenwachstum, Rißbildung und Rißausbreitung darauf reagiert. Derartige Fragen spielen eine wesentliche Rolle für die Prozeßführung bei der Halbzeugherstellung und bei der Bauteilfertigung; sie gewinnen zunehmend in dem Maße an Bedeutung, wie die Beherrschung kritischer Bauteile auf den verschiedensten Ebenen der Sicherheitsanforderungen garantiert sein muß. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Belastungsgrenzen aufgrund technischer, ökonomischer oder ökologischer Anforderungen heraufgesetzt werden müssen. Technologisches Ziel des SFB 371 ist die Optimierung konventioneller und die Entwicklung neuartiger Werkstoffe durch ein besseres Verständnis der mechanischen Wechselwirkungen zwischen den mikroskopischen Gefügebestandteilen und deren Einfluß auf das makros-kopische Verhalten. Damit liefert der SFB einen Beitrag zur wissensbasierten Entwicklung von Konstruktionswerkstoffen mit erhöhter Leistungsfähigkeit innerhalb des Eigenschafts-spektrums fest, zäh, duktil, leicht, ökonomisch, ökologisch und zuverlässig. Dieser komplexe Katalog enthält teilweise gegenläufige Forderungen an die Werkstoffeigenschaften, so daß die gezielte Optimierung des Werkstoffgefüges im Hinblick auf ein bestimmtes Anforderungsprofil ein grundlegendes Verständnis der mikromechanischen Zusammenhänge erfordert. Die Besonderheit des SFB 371 besteht darin, daß die lokal an der TUHH und im GKSS-Forschungszentrum etablierten Forschungsaktivitäten für die Herstellung, Optimierung und Anwendung von mehrphasigen metallischen bzw. intermetallischen Legierungen, Keramiken und Polymerwerkstoffen werkstoffübergreifend mit der speziellen Ausrichtung auf die Konzepte der Mikromechanik zusammengefaßt werden. Im Sinne eines übergeordneten Konzeptes läßt sich das Forschungsprogramm in vier Modellfälle unterteilen, die die Verknüpfungen und das Synergiepotential der wissenschaftlichen Ansätze in den einzelnen Werkstoffgruppen verdeutlichen: - Plastische, weiche Phasen in duktiler Matrix. Hierunter fallen vorwiegend metallische Werkstoffe, z. T. aber auch Polymerwerkstoffe. Der wesentliche Gesichtspunkt ist in diesem Themenfeld die Optimierung von Festigkeit und Verformungsverfestigung durch Wahl geeigneter Gefügemorphologien
- Harte, nur elastisch verformbare Phasen in duktiler Matrix. Diese Kategorie enthält sämtliche Werkstoffgruppen, insbesondere aber metallische (aushärtbare) Werkstoffe undVerbundwerkstoffe. Die Hauptforschungsrichtungen zielen auf Steigerung der Festigkeit und Duktilität, wobei dem Einfluß der Grenzflächen zwischen den Phasen eine besondere Bedeutung zukommt.
- Spröde Matrix mit duktilen Einschlüssen. Derartige Mikrostrukturen werden bei neueren Entwicklungen im Bereich der Hochleistungskeramiken genutzt, teilweise aber auch bei intermetallischen Werkstoffsystemen. Im Vordergrund stehen neben der Steigerung der Festigkeit insbesondere die Fragen der Zähigkeitssteigerung durch Rißüberbrückung und der plastischen Verformung an der Rißspitze.
- Spröde Matrix mit harten, nur elastisch verformbaren Einschlüssen. Hier geht es um Konzepte der Festigkeits- und Zähigkeitssteigerung durch Veränderung der Geometrie einer Rißfront, die insbesondere eine Rißabschirmung bzw. eine Rißüberbrückung bewirken. Derartige Konzepte werden vorwiegend auf keramische und polymere, teilweise aber auch auf intermetallische Werkstoffe angewandt.
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